Kira Grünberger: Helfen Stammzellen aus Fett auch bei Querschnittlähmung?

Der tragische Fall unserer nach einem Unfall querschnittgelähmten österreichischen Sportlerin Kira Grünberger ging durch alle Medien. Mit viel Mut und Optimismus meistert sie seither ihr schweres Schicksal. Kürzlich traf ich sie bei der Gala Women of the Year Awards 2015, wo sie von Uschi Fellner-Pöttler eine verdiente Auszeichnung erhielt. Ich nützte die Gelegenheit, um ihr und ihrem Freund von einem hoffnungsspendenden Vortrag auf einem Stammzellkongress zu erzählen, den ich im Sommer 2015 in Cleveland (USA) besucht hatte:

Ein querschnittgelähmter Patient konnte nach mehreren hochdosierten Injektionen von körpereigenen Stammzellen wieder mit Hilfe von Krücken gehen. Darüber wurde auf diesem Kongress berichtet, der von weltweit führenden Medizinern und Forschern besucht wurde, um sich über die therapeutische Nutzung von Stammzellen auszutauschen. Beim behandelten Patienten zeigte sich infolge der Behandlung eine immense Regeneration der Nervenleitfähigkeit. Noch spricht man zwar nicht von einer vollständigen Heilung, sehr wohl aber von einer wesentlichen Linderung der Lähmungserscheinungen.

Es ist wichtig zu betonen, dass sehr hohe Stammzellmengen über einen längeren Zeitraum in mehreren Injektionsserien injiziert werden mussten, ehe sich plötzlich diese dramatische Besserung einstellte.

Weltweit sind mehr als zwei Millionen Menschen von einer Querschnittlähmung betroffen. Die Folge sind Lähmungen von Beinen und Armen sowie von Organen. Häufige Ursachen sind Verletzungen durch Sport und Unfälle. Die Zahl der Neuerkrankten nimmt weltweit besonders durch Sportunfälle kontinuierlich zu. Die Schäden an der Wirbelsäule führen zum Ausfall versorgender Nerven und damit zum Ausbleiben der Muskeltätigkeit.

Für Patienten mit Lähmungen ist es besonders wichtig, Beweglichkeit und Mobilität wiederzuerlangen und dadurch mehr Lebensqualität zu gewinnen. Stammzellen aus Eigenfett können offenbar dazu beitragen, die zugrundeliegende Verletzung zu heilen und die Symptome zu vermindern.

In meiner Ordination werden seit mehreren Jahren erfolgreiche Therapien mit Stammzellen aus dem körpereigenen Fett der Patienten durchgeführt. Mesenchymale Stammzellen aus Eigenfett sind durch verschiedene Mechanismen imstande, zu regenerieren. Auch Nervenleiden wie ALS oder Folgen von Diabetes wurden bereits erfolgreich mit Stammzellen behandelt, genauso wie Erkrankungen der Gelenke und Herz-Kreislauf-Probleme.

Die für die Stammzelltherapie benötigten autologen Stammzellen werden üblicherweise aus einer kleinen Menge Körperfett des Patienten extrahiert, die durch eine gewebeschonende Fettabsaugung mit Mikrokanülen gewonnen wird. Aus dem Fett werden in einem komplexen und aufwendigen Verfahren die enthaltenen Stammzellen isoliert. Die Stammzellen werden unmittelbar darauf entweder lokal in betroffene Areale oder Organe injiziert oder dem Körper mittels Infusion zugeführt. Die Stammzellbehandlung erfolgt ambulant unter schonender örtlicher Betäubung.

Obwohl wir grundsätzlich auch eine Stammzelltherapie wie jene, über die in Cleveland berichtet wurde, an Kira in meiner Ordination in Wien durchführen könnten, musste ich ihr leider raten, Hilfe im Ausland zu suchen. Wegen der in der EU seit 2013 geltenden Verbotsnormen dürfen wir die für derartige Behandlungen nötigen, im Labor expandierten, körpereigenen Stammzellen nicht therapeutisch verwenden. Argumentiert wird seitens der Behörden mit der „nicht ausreichenden Studienlage“ und mit der „Patientensicherheit“. Betroffene Patienten müssen trotz beeindruckender Studienerfolge ins ferne Ausland reisen, um unbeschränkten Zugang zu Therapien mit ihren körpereigenen (!) Zellen zu bekommen.

Natürlich ist dies eine schwer überwindbare Hürde für betroffene, mobilitätseingeschränkte Patienten wie Kira, die Heilung suchen. Ich bin aber überzeugt, der Druck seitens Patienten und Ärzte auf die Behörden in der EU wird mit jeder weiteren erfolgreichen Studie weiter wachsen und letztlich dazu führen, dass Behandlungen mit körpereigenen Stammzellen auch dann erlaubt sind, wenn die körpereigenen Zellen des Patienten im Labor vermehrt (= „expandiert“) wurden. Bemerkenswert: Die Ärzte, die beim MSC Cleveland über diese und andere erfolgreiche Studien berichteten, sind sich längst einig, dass die Therapie mit expandierten körpereigenen Stammzellen sicher ist.

Alle Gesundheitsbehörden in Europa, insbesondere die Swissmedic und die EMA, sind also aufgerufen, Patienteninteressen gegenüber finanziellen Interessen der Pharmainvestoren den Vorzug zu geben! Schließlich geht es um nicht weniger als das Recht auf den eigenen Körper und darauf, seine köpereigenen Zellen für Besserung und vielleicht sogar Heilung bei vielen sonst unheilbaren Leiden und Verletzungsfolgen einzusetzen, meint

Ihr DDr. Heinrich

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